Wieviel Review hätten’s denn gern?

Die Art und Weise, ein Peer Review durchzuführen, kann ja so unterschiedlich sein. Da haben wir Basti, Software-Entwickler, frisch von der Uni, aber fit im programmieren. Basti genügt es, wenn sein Kollege ‚mal eben rüberschaut‘ über die Designspezifikation seiner Software-Komponente. Andreas, sein Projektleiter, kann das nicht gut heißen. Er hat schon einige Jahre Projekterfahrung hinter sich und ist überzeugter Protokollschreiber. „Was nicht protokolliert wird, ist nicht passiert“, ist seine Divise. Und so besteht Andreas auf ein Reviewprotokoll, in dem die identifizierten Findings aufgelistet sind. Wolfgang ist Qualitätssicherer aus Überzeugung und legt schon von Berufs wegen Wert auf Unabhängkeit. „Ein richtiges Peer Review muss von einem unabhängigen Moderator geleitet werden“, postuliert er. Andreas ist dagegen: „Das bindet zu viele Ressourcen in meinem Projekt!“ Basti stöhnt: „Ich wollte doch eigentlich nur eben meine Komponente coden…“

Wer hat denn nun Recht? Wie läuft ein „richtiges“ Peer Review ab? Wieviel Aufwand muss man treiben? Die Standardantwort („It depends.“) passt natürlich auch hier: Es kommt drauf an. Es kommt drauf an, wie wichtig mein Arbeitsergebnis ist. So würde ich mich einer Anforderungsspezifikation bestimmt intensiver widmen als der Überarbeitung der Testspezifikation einer Komponente, die schon seit Jahren in Betrieb ist. Vielleicht aber auch nicht, denn die Testfälle, die hinzugefügt wurden, sollen nun endlich die immer wieder auftauchenden Probleme der Komponente lösen.

Es kommt auch drauf an, in welchem Zustand sich ein Arbeitsergebnis befindet. Bei den Artikeln zu den (informaleren) Walkthroughs haben wir schon festgestellt, dass diese eher angewendet werden, wenn das Arbeitsergebnis vielleicht ein Drittel fertig ist, um sich die Richtung bestätigen zu lassen. Vor der endgültigen Freigabe eines Projekthandbuches müsste ich aber doch sehr wohl etwas mehr Formalität an den Tag legen, bestimmt doch dieses Wesentliches im weiteren Projektverlauf.

Was aber unterscheidet nun die unterschiedlichen Peer Review Methoden? Basti, Andreas und Wolfgang haben schon einige afugedeckt.

  • Der Einsatz eines Reviewleiters kann sinnvoll sein, da er den Peer Review Prozess kennt und als geschulter Moderator im Führen von Meetings erfahren ist.
  • Ein gewisses Maß an Konfigurationsmanagement erleichtert das Peer Review. Dazu zählt zum einen, das Dokument „aufzuräumen“, mit Zeilennummern zu versehen, auf Rechtschreibfehler zu prüfen und Kommenatre zu entfernen. Zum anderen sollte für das Review die Unveränderbarkeit des Reviewobjekts sichergestellt werden, damit alle Reviewer die selbe Version des Arbeitsergebnisses prüfen.
  • Für größere Peer Reviews macht es oft Sinn, ein Review Kickoff durchzuführen, in dem der Reviewleiter oder der Autor kurz das Vorgehen erläutert, einen Überblick über das zu prüfende Arbeitsergebnis liefert und evtl. verschiedene Schwerpunkt-Sichten an die Reviewer verteilt.
  • Entscheindend ist dann bei allen Peer Reviews aus meiner Sicht, dass sich die Reviewer das Arbeitsergebnis „offline“ ansehen und ihre Anmerkungen notieren. Diese Vorbereitung ist wichtiger als ein anschließendes Reviewmeeting. In diesem sollten die gefundenen Findings nur noch besprochen werden, so dass der Autor weiß, was gemeint war.
  • In einem sehr reifen Reviewprozess kann man nach einem Peer Review die gefundenen Unzulänglichkeiten analysieren, um Kernursachen für Fehler zu identifizieren. Diese können dann in Checklisten eingearbeitet werden, um die selben Fehler zukünftig zu vermeiden.

Grundsätzlich macht es also Sinn, sich mehrere Peer Review Methoden zu definieren, die dann jeweils die oben genannten Elemente einbinden oder eben nicht. Neben dem Walkthrough schlage ich den informalen Buddy Check („Schau mal rüber“) vor, darüber hinaus aber auch ein formaleres Technisches Review mit Offline Review und Reviewprotokoll, sowie die sehr formale Inspektion, die nicht vom Autor selbst, sondern von einem Reviewleiter geführt wird.

Also, Basti, Andreas und Wolfgang, ich denke, Ihr alle hattet irgendwie Recht.

Thomas Schneider

Ich leite derzeit das Business Process Management (BPM) bei Anschütz in Kiel, zuvor das Prozessmanagement im Engineering, bis 2008 in einem deutsch-japanischen Jointventure im Bosch-Konzern. Ich bin diplomierter Informatiker und begeistere mich neben den klassischen Prozessmanagement-Themen für Software-Tools und Digitalisierung.

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