Das SPI Manifest

Buch-Empfehlung

Die EuroSPI Initiative sieht sich als europäische Plattform für Software Process Improvement (SPI) und veröffentlicht im Sinne dieser Mission verschiedene Materialien zum Thema Prozessverbesserung auf ihrer Website.

Seit dem 1. Februar 2010 gibt es nun das SPI Manifesto, das in Zusammenarbeit einiger europäischer Prozessverbesserungs-Experten entstanden ist. Dabei unterstelle ich mal, dass sich das „S“ für „Software“ getrost unterschlagen lässt, denn die definierten Werte und Prinzipien gelten wohl nicht nur für Prozessverbesserung im Software-Bereich, sondern ebenso für Hardware- oder Systementwicklung oder ganz andere Prozessverbesserungs-Initiativen.

Das Manifest definiert dabei drei Werte, die übersetzt grob wie folgt lauten:

Wir glauben fest, dass Prozessverbesserung

  • die Menschen aktiv einbeziehen muss und sich auf ihre tägliche Arbeit auswirkt.
    (und nicht um anzugeben oder nur Management einzubeziehen)
  • das ist, was man tut, um das Unternehmen zum Erfolg zu führen.
    (und nicht um Normen anzuwenden, einen Reifegrad zu erreichen oder ein Zertifikat zu erhalten)
  • untrennbar einher geht mit Veränderung.
    (also nicht Weitermachen wie bisher)

Die Werte sind zweifelsfrei gut gewählt und geben die Kerngedanken wieder, denen jedes Prozessverbessungs-Projekt nachgehen sollte.

Erster Wert: Die Menschen

Der erste Wert zielt darauf ab, Abstand zu nehmen vom berühmten Elfenbeinturm, in den wir Prozessheinis uns zu gerne einschließen, um Prozesse zu erfinden, die keiner versteht oder keiner braucht. Der Erfolg eines Unternehmens basiere auf dessen Wettbewerbsfähigkeit, argumentiert das Manifest weiter. Und diese Wettbewerbsfähigkeit gründet sich auf das Wissen, die Erfahrung und das Commitment der Mitarbeiter des Unternehmens. Prozessverbesserung versucht, die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens zu erhöhen, und daher ist es nur logisch, dass Prozessverbesserung die Mitarbeiter mit ihrem Wissen und ihrer Erfahrung aktiv mit einbezieht.

Wir sehen diesen Wandel seit einiger Zeit, wenn wir einen Blick auf agile Prozesse werfen. Heute werden Probleme nicht mehr von einzelnen Experten gelöst, sondern von den Teams selbst, die gemeinsam Veränderung im Unternehmen bringen. In Japan ist diese Philosophie (bspw. durch Kaizen) schon länger etabliert. Während ein deutscher Mitarbeiter weit unter Hundert Verbesserungsvorschläge im Jahr anbringt, sind es für einen japanischen Mitarbeiter durschnittlich über Zweitausend pro Jahr.

Zweiter Wert: Das Unternehmen

Ein Produktentwicklungsprozess erzeugt Produkte – hoffentlich. Prozessverbesserung in diesem Sinne versucht, die Art und Weise der Produktentwicklung zu verbessern, nichts anderes. Trotzdem versuchen viele zu argumentieren, dass sie keine Prozesse brauchen, was das Leben der Prozessgruppen nicht gerade vereinfacht. Fakt ist aber, Produkte entstehen nicht ohne Prozesse. Aber Prozesse sind nicht gleich zu setzen mit irgendwelchen Prozessbeschreibungen, die keiner lebt, sondern Prozesse sollten die Bedürfnisse der Projekte und des Unternehmens reflektieren. Prozessverbesserung sollte die Unternehmensziele verfolgen, nicht irgendwelche Standards. Die Lücke zwischen „dem Prozess“ und dem, was wirklich passiert, muss geschlossen werden, fordert das Manifest eindrücklich. Aber wie komme ich dahin?

  • Verwende die heute gelebten Prozesse als Ausgangsbasis für Prozessverbesserung!
  • Mach Dir die Geschäftsziele klar, um sicher zu stellen, dass vorgeschlagene Verbesserungen diese auch effektiv unterstützen!
  • Sieh Prozessbeschreibungen (lediglich) als Präsentation des Prozesses an!
  • Mach Dir und andern klar, wie Normen und Modelle bei Prozessverbesserung helfen können!

Dritter Wert: Die Veränderung

„Nur in einer perfekten Welt gibt es nichts zu verbessern“, beginnt das Manifest die Erläuterungen zum dritten Value. Jede Verbesserung bringt Veränderung mit sich, für jeden einzelnen, für das Projekt, für das Unternehmen. Wir Menschen nehmen es nicht leicht mit Veränderungen, denn wir lieben, an was wir gewöhnt sind, selbst wenn es unvorteilhaft ist. Trotzdem kommen wir an Veränderung nicht vorbei, wenn wir Prozessverbesserung betreiben wollen.

Wir brauchen also eine Infrastruktur für unser Prozessverbesserungs-Projekt, die eine Change Management Komponente enthält. Wenn hier von Änderungsmanagement die Rede ist, meint das nicht die Änderung an Produkten oder Arbeitsergebnissen, sondern die Änderung von Menschen.

Das Manifest gibt ein Beispiel, wo in einer asiatischen Firma auf dem Weg zu CMMI Maturity Level 3 ein Peer Review Prozess eingeführt werden sollte. Aber trotz intensiver Schulungen sind die Mitarbeiter nicht bereit, Fehler in den Arbeitsergebnissen anderer aufzudecken. Selbst nach drei Jahren gab es keine wesentlichen Besserungen. Erst als der Geschäftsführer das mittlere Management anhält, als Coaches in Peer Reviews zu dienen, die Mitarbeiter dieses Commitment zur Veränderung bemerken und lernen, dass keiner gefeuert wird fürs Fehlerfinden, kommt die Sache ins Rollen. Es war eine bedeutende kulturelle Änderung für das Unternehmen, die aber zu deutlich verbesserter Produktqualität führte.

Soweit zu den drei Werten des Prozessverbesserungs-Manifest. Ich würde mich freuen über Ihre Kommentare zu dem Thema.

Thomas Schneider

Ich leite derzeit das Business Process Management (BPM) bei Anschütz in Kiel, zuvor das Prozessmanagement im Engineering, bis 2008 in einem deutsch-japanischen Jointventure im Bosch-Konzern. Ich bin diplomierter Informatiker und begeistere mich neben den klassischen Prozessmanagement-Themen für Software-Tools und Digitalisierung.

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